Persönliche Dekompression

Posted on Tuesday, Jul 18, 2023
In den letzten Folgen haben wir schon darauf hingewiesen: Das Dekomodell eurer Tauchcomputer ist keine Garantie, ohne Beschwerden aus dem Wasser zu kommen, aber schon ziemlich gut. In dieser Folge schauen wir uns das Verhalten vor, während und nach dem Tauchen und wie wir unsere Tauchgänge planen und gestalten können, um das Risiko böser Überraschungen weiter zu verringern.

Show Notes

Disclaimer: Die in diesem Podcast getätigten Aussagen spiegeln lediglich die Meinungen der Produzenten wieder. Obwohl wir die Aussagen im Podcast reflektiert und nach Möglichkeit auf der Basis wissenschaftlicher und technischer Standards treffen, bleibt die verantwortungsbewusste Nutzung dieser Informationen dem Hörer überlassen! Taucht nicht über eure eigenen Grenzen und der eurer Buddies! Haltet euch an eure Zertifizierung und besucht praktische Trainings und Kurse, um eure taucherischen Fähigkeiten zu verbessern.

Die vorhergegangenen Folgen unserer Reihe zur Dekompression findet ihr hier.

Was hatten wir in den letzten Folgen besprochen?

In den letzten drei Folgen hatten wir uns mit der Dekompression beschäftigt, die physiologischen Grundlagen erläutert und erklärt, wie Sättigungsmodelle funktionieren. Wir hatten erklärt, warum deren Aussagekraft vor allem statistische Relevanz hat und das ein Taucher trotzdem Blasen beim auftauchen produziert. Wir hatten die Blasenmodelle vorgestellt und beide Modelle funktionieren irgendwie, haben aber auch Ihre Lücken. Am Ende bleibt die einzige sichere Aussage: Dekompression hat etwas mit Inertgasen und Blasen im Gewebe zu tun ;-) Sicherheitsmargen in der Dekompression sind also eine gute Sache. Möglichkeiten zur Umsetzung sind ein Abstand zur Nullzeit oder auch die Gradientenfaktoren. Gradientenfaktoren sind eine individuelle Einstellung und Entscheidung. Und vieles hängt nicht nur von der Mathematik sondern auch vom eigenen Verhalten ab. Das wollen wir in dieser Folge angehen. Was sind einzelnen Möglichkeiten? Sich selber einschätzen…

In den vergangenen Folgen habt ihr viel über die Modelle der Dekompression erfahren. Mit diesem Wissen kann ich mich selber beobachten und überlegen, wie gut ich in die Gruppe hinein passe, an der das Modell evaluiert wurde. Habe ich ein wenig oder zu viel zusätzliches Fettgewebe? Habe ich zusätzliche Risikofaktoren im Herz-Kreislauf-System? Trinke ich viel Alkohol? Mache ich genug Sport? Wie ist es um meine Fitness bestellt? Wenn ich nicht optimal in die Modelle passe, dann kann es eine gute Idee sein, mit zusätzlicher Sicherheitsmarge zu tauchen.

Den eigenen Tauchcomputer kennen

Nicht alle Tauchcomputer verhalten sich gleich. Manche Tauchcomputer sind für eine “echte” Dekompression im Rahmen von technischen Tauchgängen ausgelegt. Andere unterstützen nur einen “Notfallmodus” zur notfallmäßigen Dekompression. In den Computern sind unterschiedliche Sicherheitsmargen ab Werk eingestellt. Zudem können sich die Tauchcomputer einer Gruppe völlig unterschiedlich zueinander verhalten. Das ist kein großes Drama, solange ich darauf vorbereitet bin… Also im Zweifelsfall: Handbuch lesen :-) Manche Computer geben mir auch die Möglichkeit, den Tauchgang dynamischer zu planen.

Andere Sicherheitsfaktoren, die die Tauchgangsplanung beeinflussen:

Existieren andere Faktoren, die meine Dekompression und Tauchgangsplanung beeinflussen? Wenn einer der Taucher ein relevantes und bekanntes PFO hat, dann sollten bspw. die Sicherheitsmargen ebenfalls erhöht werden. Auch andere Mechanismen können zu einem erhöhten Risiko für einen Blasenübertritt führen und spätestens bei mehrfachen (möglicherweise) dekompressionsabhängigen Zwischenfällen in der Vorgeschichte sei jedem Taucher angeraten, sich mit einem erfahrenen Tauchmediziner auf Ursachenforschung zu begeben. Als weitere Literatur sei an dieser Stelle die “Wetnotes - Tauchmedizin” aus unserer Literaturliste jedem Leser empfohlen.

Low Bubble Diving

Das Ziel des “Low Bubble Diving” ist es, die Anzahl an stillen Blasen zu reduzieren und somit das Risiko zu senken. Das erfolgt durch einige Verhaltensregeln:

Die einfachste Möglichkeit ist es, die Anzahl an Tauchgängen am Tag zu reduzieren. Eine gängige Empfehlung ist es, nur zwei Sporttauchgänge am Tag zu machen. Über Nacht können die Gewebe dann absättigen. Bei technischen Tauchgängen kann es auch sinnvoll sein, sich auf einen Tauchgang am Tag zu reduzieren. “One TEC-Dive per Day keeps the doctor away…” Das ganze ist keine absolute Regel: So können zwei seriöse Tauchgänge eine höhere Gewebesättigung zur Folge haben, als vier sehr flache Tauchgänge unter Nitrox… Bei langen Tauchurlauben ist bestimmt auch ein Tag Pause hier und da nicht verkehrt, um ein wenig abzusättigen. Vielleicht ist ja an einem Tag das Wetter sowieso schlecht vorhergesagt und ich möchte gerne ausschlafen?

Die Oberflächenpause

In der Oberflächenpause gebe ich den Geweben die Möglichkeit, den Stickstoff abzusättigen. Die Empfehlung geht dahin, eine Oberflächenpause von mindestens 120 Minuten einzuhalten. Aus unserer Erfahrung ist das eine ziemlich gute Zeit, um Ausrüstung zu wechseln, zu essen, etwas zu trinken, neu zu briefen und wieder ins Wasser zu steigen…

Das Verhalten direkt vor dem Tauchgang

Neben der eigentlichen Berechnung von Gassättigungen der Gewebe ist in den vergangenen Jahren immer mehr die Erkenntnis in den Fokus gerückt, dass die Funktion der kleinen Blutgefäße im Körper eine essentielle Rolle in der Blasenbildung in der Dekompression spielt. Innerhalb der Gefäße liegt eine Schicht von verschiedenen Bestandteilen auf, welche die Gefäße “glitschig” hält und eine Anlagerung von Fremdkörpern verhindert. Diese Schicht wird als “Glykokalix” bezeichnet und spielt auch bei anderen Erkrankungen eine große Rolle. Die Funktion der Glykokalix kann durch euer Verhalten entscheidend beeinflusst werden. Auch bei einem Tauchgang profitiert ihr von einer guten Funktion der kleinsten Blutgefäße.

Entzündliche Prozesse können diese Funktion beeinflussen, so dass bei einem Sonnenbrand der Zustand der Gefäßwände nicht optimal ist. Das passiert übrigens nicht nur an der betroffenen Stelle: Auch die Funktion der restlichen Gefäße wird über sogenannte Botenstoffe beeinflusst. Entsprechend kann auch eine lokale Verbrennung vom Lagerfeuer die Funktion des gesamten Körperendothels beeinflussen. Natürlich wird auch lokal über die Schwellung die Durchblutung der betroffenen Stelle beeinflusst, was das Verhalten beeinflusst. Auch Infektionen lösen einen ähnlichen Effekt aus und beeinflussen die Dekompression potentiell negativ. Es muss also nicht die voll ausgewachsene Lungenentzündung sein: Auch ein eingewachsener Zehnagel hat einen Effekt.

Natürlich ist auch das keine absolute Wissenschaft und nicht restlos erforscht. Aber mit ein wenig Vorplanung kann ich trotzdem den Sonnenbrand einfach vermeiden… Auch langfristige Prozesse wie Bluthochdruck und Rauchen haben übrigens einen Einfluss auf die Gefäßfunktion und sollten daher überdacht werden.

Wie immer gilt: Wir sind nicht die Scuba-Polizei und jeder darf mit seinem Körper machen, was immer er mag und für richtig hält ;-) Aber das kritische Nachdenken ist ja glücklicherweise jedem selber überlassen. Mancher mag an dieser Stelle argumentieren, dass diese Effekte nicht in großen Studien evaluiert sind. Das stimmt grundsätzlich auch. Es sei aber auch daran erinnert: Auch Bühlmann hat mit Einzelfallberichten und als Expertenmeinung angefangen :-)

Stress und Müdigkeit

Auch Stress und ein gestörter Biorhythmus haben Auswirkungen - nicht nur auf Fitness und Entscheidungsfähigkeit, sondern auch auf die Endothelfunktion. Das ist tatsächlich in größeren Studien aus dem Bereich des Arbeitsschutzes evaluiert. Aber auch auf die allgemeine Sicherheit hat dieser Effekt Auswirkungen: Wer schon müde in einen Tauchgang geht, der muss sich nicht wundern, wenn die Stickstoffnarkose an diesem Tag besonders “knallt”. Auch im Urlaub zählt der Effekt: Muss ich wirklich ins Wasser, wenn ich schon mit Jetlag aus dem Flieger steige? Oder will ich mich lieber erstmal etwas erholen und am nächsten Tag mit ganzer Kraft durchstarten? Für uns hat es sich bewährt, am ersten Tag etwas kürzer zu treten und maximal den flachen Checkdive zu machen. Bei komplexeren Tauchgängen sind vielleicht auch zwei Tage Eingewöhnung nicht übertrieben.

Sport vor dem Tauchen

Es gibt Expertenmeinungen und Fallberichte, welche nahelegen, dass ein aerobes Ausdauertraining am Tag vor dem Tauchen der Endothelfunktion hilft und den Blasenload vermindert. Genau das Gegenteil scheint aber für Krafttraining zu gelten - insbesondere dann, wenn man noch Muskelkater hat. Krafttraining 48 Stunden vor einem Tauchgang kann durch kleinste Muskelrisse ebenfalls Entzündungsreaktionen auslösen und gilt daher als ungünstig. Auch hier gilt es also, ein gutes Maß zu halten.

Genug trinken

Eine ausreichende Trinkmenge ist im Bezug auf das tauchen wichtig - unbestritten. Die interessante Frage ist aber: Wie viel ist genug? Und auch hier gibt es keine absolute Lösung: In einer warmen und feuchten Umgebung, potentiell unter körperlicher Anstrengung, ist die ausgeschwitzte Menge an Flüssigkeit viel höher als im kalten. Das gleiche gilt nach langen Flügen, da die Luft im Flugzeug sehr trocken ist. Als grundsätzliche Trinkmenge unter gewohnten Umgebungen kann man am ehesten 2 Liter am Tag veranschlagen und diese ergänzen: Ein guter Kontrollmechanismus ist die Farbe des eigenen Urins. Dieser sollte klar oder leicht gelblich sein. Ein konzentrierter, stark Bernsteinfarbener Urin ist ein Zeichen für einen Flüssigkeitsmangel. Die Trinkmenge sollte gut über den Tag verteilt werden. Denn die Flüssigkeit muss sich im Gewebe verteilt werden. Das braucht Zeit. Ein Sturztrunk von großen Flüssigkeitsmengen vor dem Tauchen scheint auch zu erhöhten Raten einen Immersions-Lungenödems zu führen. Also lieber schön gleichmäßig über den Tag ;-)

Ein relevanter Faktor ist bestimmt auch für viele auch der vermehrte Harndrang beim Tauchen. Unter Druck arbeiten die Nieren vermehrt und gerade wenn man genug getrunken hat, muss man nach einer Weile zwingend auf WC. Das ist aus unserer Sicht zum Beispiel ein klares Argument für das Pinkelventil am Trockentauchanzug. Das ist für Männer einfacher als für Frauen: Das Urinalkondom. Für Frauen gibt es die Lösung der Windel oder des She-Pee. Ein gutes Video dazu findet ihr HIER. https://youtu.be/aQCyH0de9DM

Auch am Nassanzug wird das Ganze zum Problem. Hier gibt es nicht so optimale Lösungen. Zusammenfassend darf man aber sagen: Der Harndrang sollte nicht der Grund sein, weniger zu trinken. Lieber beim Abziehen ein wenig Abstand zur Gruppe halten und den Anzug erstmal im Meer abspülen… Und natürlich nur in den eigenen Anzug pinkeln und nicht in Leihanzüge…

Auch unter Wasser kann man bei sehr langen Tauchgängen trinken: Entweder ich bin mit klarem Wasser umgeben. Ansonsten kann ich auch einen Camelback mitführen und unter Wasser sauberes Süßwasser trinken. Bei Bedarf auch mit Geschmack…

Auch nach dem Tauchgang sollte ich weiter trinken und die nun verlorene Flüssigkeit ausgleichen. Einen guten Ansatz finden wir: Pro Tauchgang 500 ml zusätzlich zu meinem Grundumsatz.

Die Ernährung

Unsere Nahrung wird im Magen-Darm-Trakt zunächst über die Blutbahn absorbiert und dann im Körper verteilt. Deshalb finden sich nach fettem Essen auch eine Weile Spuren im Blut. Diverse Expertenmeinungen legen nahe, dass auch diese die Dekompression beeinflussen. Auch wenn der Faktor bestimmt für die meisten Taucher nicht der relevanteste ist: Bei intensiven Dekompressionstauchgängen könnte es sich lohnen, das fettige Schnitzel um einen Tag nach dem Tauchgang zu verschieben.

Absättigen vor dem Tauchgang

Vielen von uns ist es geläufig, die Dekompression während dem Tauchgang mit Sauerstoff zu optimieren. Auch vor dem Tauchgang kann ich den Stickstoffload im Körper reduzieren, indem ich Sauerstoff voratme. So schaffe ich eine zusätzliche Sicherheitsmarge, die leider aber schwer zu messen ist. Gerade den Kollegen mit Kreislauftauchgerät fällt das naturgemäß leichter: Sauerstoff ist da und günstig und das Gerät muss sowieso vorgeatmet werden. Natürlich muss man sich bei dieser Methode auch Gedanken über die Sauerstoffexposition machen. Außerdem erscheint diese Maßnahme zugegeben eher im technischen Bereich relevant und für die meisten Sporttauchgänge etwas übertrieben.

Das Temperaturmanagement

Die Temperatur beeinflusst direkt die Durchblutung der Gewebe. Im Idealfall will ich langsam aufsättigen und dann später in der Dekompression gut absättigen. Daher ist es am besten, wenn die Temperatur in der Bottomzeit eher angenehm kühl ist und später beim Aufstieg angenehm warm. Leider ist in der Praxis eher das Gegenteil der Fall, was die Aufsättigung optimiert und die Absättigung verschlechtert. Eine Lösung kann eine Heizung sein, welche ich im Kaltwasser beim Aufstieg anschalte. Modelle gibt es diverse und dazu sollten wir mal eine eigene Folge machen… Natürlich haben das Problem vor allem wir als Kaltwassertaucher und sind angemessen Neidisch auf die Kollegen, welche das ganze Jahr im Warmen unterwegs sind.

Das Tauchprofil

Die beste Berechnung eins Tauchgangsprofils hilft nur dann, wenn ich die geplanten Zeiten einhalte, meine Nullzeit nicht überschreite und auch die geplanten Stopps beachte. Das gilt auch für geplante Nullzeittauchgänge. In der Nähe der Oberfläche sind die Druckänderungen auf kleinen Tiefenänderungen am größten und es macht Sinn, ein wenig langsamer zu machen. Auch nach einem Sicherheitsstopp sollte man nicht unbedingt das Jacket aufblasen und die Wasseroberfläche durchstoßen wie “Roter Oktober” (siehe den gleichnamigen Film “Jagt auf roter Oktober). Lieber etwas langsamer machen, zusätzliche Sicherheitsreserve einlegen und ein wenig länger bunte Fische anschauen…

Den Tauchcomputer entsprechend einstellen

Es ist wichtig, den eigenen Tauchcomputer zu kennen und bewusst eine Sicherheitsmarge zu wählen. Das Ziel sollte es aber nicht sein, die Sicherheit einzustellen, um eine möglichst gute Nullzeit zu haben. Eine entsprechende Ausbildung vorausgesetzt, kann es besser sein, die Sicherheitsmarge zu erhöhen und zusätzliche Dekostopps einzuhalten.

“Nitrox ist sicherer”

Vielfach hört man die Aussage, dass das Tauchen mit Nitrox sicher ist. In Wirklichkeit ist Nitrox allerdings einfach nur ein Gasgemisch mit mehr Sauerstoff und weniger Stickstoff. Das kann meinen Tauchgang sicherer gestalten, allerdings nur dann, wenn ich die so gewonnenen Zeiten nicht ausreize und mich an die Nullzeiten von Luft halte. Das kann ich machen, indem der Tauchcomputer weiter auf Luft gestellt bleibt. Aber Achtung: Die MOD mit meinem gewählten ppO2 muss ich dann selber überwachen und auch die ZNS-Zeiten sind nicht korrekt berechnet. Es gibt tatsächlich keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Nitrox grundsätzlich sicherer zu tauchen ist als Luft.

Das gleiche gilt übrigens auch bei der Nutzung von Nitrox als Dekogas oder auch Reinsauerstoff. Auch hier kann ich das Gas eher großzügig nutzen oder in der Dekompression ein höherwertiges Dekogas als geplant nutzen. Ausserdem kann ich im Aufstieg das Dekogas weiter nutzen, anstatt auf ein Travelgas zu switchen.

Bei längeren Zeiten im Dekogas macht bestimmt ein Sauerstoffbreak Sinn, bei dem ich zu einem Gas mit geringerem Sauerstoffanteil wechsle. Das gilt allerdings vor allem bei langen Dekozeiten und dient der Vermeidung einer pulmonalen Sauerstofftoxizität.

Das ganze gilt auch nach dem Auftauchen: Ich habe gerade den größten Schritt der Dekompression gemacht und bin aufgetaucht. An der Oberfläche geht der Effekt der Dekompression weiter. Hier kann ich unterstützen, indem ich ein sauerstoffreiches Gas weiteratme. Das kann meine Nitroxflasche sein, die ich noch ein paar Minuten weiter leere oder auch mein Dekogas. Ich selber bleibe im CCR noch ein paar Minuten im Loop und atme Sauerstoff, während ich aussteige und zum Auto gehe.

Ich kann auch später, gerade nach technischen Tauchgängen, nochmal auf den Sauerstoff zurückwechseln und eine sogenannte Oxygen Surface Time einlegen. Zum Beispiel, indem ich nach 10 Minuten und bei abgelegter Ausrüstung nochmal 10 Minuten Sauerstoff am Auto wegschnüffel. Aus unserer Erfahrung geht es uns damit, gerade nach anstrengenden Tauchgängen, deutlich besser. Spannend ist es übrigens, wie viele Taucher einen dann sofort fragen, ob man Hilfe braucht. Das finde ich ein cooles Zeichen, dass hier gerade die technische Community offenabr sensibel ist und niederschwellig Hilfe anbietet.

Blasenübertritt vermeiden

Wir haben es schon thematisiert: Blasen im venösen System sind normal und Blasen im arteriellen System sind doof, weil Sie in verschiedenen Orte eingeschwemmt werden können. Es gilt also einen Übertritt der Blasen ins arterielle System zu vermeiden. Mit großen Drücken im Brustkorb kann ich unter Umständen Shuntmechanismen öffnen und Blasen “rüberdrücken”. Um das zu vermeiden, sollte ich am Ende des Tauchgangs und danach große Anstrengungen vermeiden. Dazu gehört etwa das Aufblasen der DSMB, was ich auch mit dem Inflator erledigen kann. Aber auch Klettern am Ausstieg nach dem Tauchgang kann kontraproduktiv sein genauso wie schweres Tragen. Deshalb: Gewichte, Stages am Ausstieg lassen und lieber mehrfach mit geringem Gewicht und Pausen laufen. Außerdem schwere Heben vermeiden und Unterstützung durch Oberflächenpersonal annehmen. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass bei Benutzung der großen Beinmuskulatur geradezu ein Schwall von Gasblasen ausgelöst wird. Diesen kann ich unter Umständen minimieren. Das Fenster für einen maximalen Blasenload liegt nach dem Tauchgang innerhalb von 30 Minuten bis 120 Minuten. Nach 4 Stunden minimiert sich der Blasenload und ich kann langsam wieder zu normaler Tätigkeit übergehen. Als Anmerkung: Hierzu gibt es unterschiedliche Studienergebnisse. Aber Vorsicht schadet im Zweifelsfall nie.

Aufwärmen nach dem Tauchgang

Es ist kalt draussen und ich hab mir den Arsch abgefroren. Jetzt raus aus dem Wasser, ins Hotel und ein schönes warmes Bad… oder in die Sauna… Was initial gut klingt, könnte zum Problem werden. Zum einen beeinflusst die Wärme die Durchblutung. Zum anderen sind in warmen Flüssigkeiten Gase auch schlechter löslich und der Blasenload kann sich unter Umständen erhöhen. Daher gilt es, nach dem Tauchgang ein wenig vorsichtig zu sein und eine plötzliche, starke Erwärmung zu vermeiden. Das gilt auch zum Beispiel für die Sitzheizung im Auto…

Personalisierte Dekompression

Jeder Taucher bubbelt unterschiedlich. Praktisch wäre es jetzt, den eigenen Bubble-Load zu kennen und zu messen. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze. Einer ist der O-Dive von Azoth Systems, welcher den Bubble-Load im Gewebe messen kann und auch das Tauchprofil analysiert. Man kann dann experimentell verschiedene Sicherheitsmargen anpassen und versuchen, den Tauchgang zu optimieren. Wir nutzen das System, beobachten allerdings vor allem den Wert des Bubble-Loads, da die sonstigen Berechnungen viele Faktoren außer Acht lassen und außerdem die Berechnung der Gesamt-Sicherheit für uns nur eingeschränkt sinnvoll erscheint. Der Ansatz ist allerdings spannend.

Informationen zum System gibt es HIER. https://o-dive.com/en/home/ Informationen zum mathematischen Ansatz gibt es HIER: https://o-dive.com/wp-content/uploads/2021/05/DEPLIANT-ENG..pdf

Grundsätzlich gilt:

Wir sind nicht die Scuba-Polizei. Was ihr aus eurem Dekompressionsverhalten machte, ist alleine euch überlassen und ihr werde keinen von uns beidem am Tauchplatz schimpfen hören. :-) Wir wollten euch mit unserer kleinen Serie einen Anreiz und die Grundlagen für eine valide individuelle Überlegung geben und zu einer nachhaltigen Diskussion ermuntern. In diesem Sinne: Wir wissen es ja auch nicht - also lasst uns mal drüber reden :-)

Unsere Literaturliste zum Thema Dekompression: (für alle Folgen gleich)