Vom Sport- Zum Tec-Taucher?

Posted on Thursday, Mar 2, 2023
Jan und Martin haben schon häufiger beobachtet, dass man mit einer technisch angehauchten Ausrüstung am Tauchplatz seltsam von der Seite angeschaut wird. Es wird automatisch vorausgesetzt, dass man zwingend tief und lang unterwegs ist. Auch Sophie aus der Community hat sich gefragt, wo jetzt eigentlich das “Recreational Diving” oder besser das Sporttauchen aufhört und das technische Tauchen anfängt. Grund genug, der Sache auf den Grund zu gehen…

Show Notes

Disclaimer: Die in diesem Podcast getätigten Aussagen spiegeln lediglich die Meinungen der Produzenten wieder. Obwohl wir die Aussagen im Podcast reflektiert und nach Möglichkeit auf der Basis wissenschaftlicher und technischer Standards treffen, bleibt die verantwortungsbewusste Nutzung dieser Informationen dem Hörer überlassen! Taucht nicht über eure eigenen Grenzen und der eurer Buddies! Haltet euch an eure Zertifizierung und besucht praktische Trainings und Kurse, um eure taucherischen Fähigkeiten zu verbessern.

Jan und Martin haben schon häufiger beobachtet, dass man mit einer technisch angehauchten Ausrüstung am Tauchplatz seltsam von der Seite angeschaut wird. Es wird automatisch vorausgesetzt, dass man zwingend tief und lang unterwegs ist. Auch Sophie aus der Community hat sich gefragt, wo jetzt eigentlich das “Recreational Diving” oder besser das Sporttauchen aufhört und das technische Tauchen anfängt. Grund genug, der Sache auf den Grund zu gehen…

Was sind die Definitionen für technisches Tauchen?

Die Definitionen sind seltsamerweise recht unterschiedlich und in den Organisationen auch unterschiedlich gelebt. Trotzdem hat man sofort ein Bild vom Tec-Taucher im Kopf: Doppelgerät auf dem Rücken, 4 Stages an jeder Körperseite und am besten noch 2 Flaschen im Ponytail hinterhergezogen. Der Scooter hängt lässig am Wrack. Oder an Eingang der Höhle: Also “Overhead Environment".

Aber ist jetzt Eistauchen schon technisches Tauchen?

TDI hat hierzu mal in einem Handbuch geschrieben, dass technisches Tauchen alles ist, was jenseits der Sporttauchgrenze stattfindet: Alles jenseits der Nullgrenze, tiefer als 40 Meter oder mit mehr als einer Gasmischung. Und natürlich alle Umgebungen, in denen man nicht einfach auftauchen kann.

Aber wo genau liegt jetzt die Grenze? Ist Eistauchen schon technisches Tauchen?

Das ist jetzt ein bisschen schwammig. Eistauchen ist zwar auch eine geschlossene Decke über dem Taucher. Trotzdem wird der Kurs im normalen Sporttauchen angeboten. Es kommt ein wenig darauf an, wie das Eistauchen betrieben wird: Sofern ich an einer Sicherheitsleine angehängt bin und mich die anderen Taucher aus dem Wasser ziehen können, muss ich keine Probleme unter Wasser lösen und der Ausstieg entspricht einem Notaufstieg (zumindest aus zeitlicher Perspektive). Wenn ich allerdings an einer verlegten Leine tauche oder diese evtl. selber ziehe, dann muss ich den Weg aus dem Wasser alleine finden können. Ich bin also zur Problemlösung unter Wasser gezwungen. Eine ähnliche Grenze ist das Self-Reliant Tauchen: Auch hier ist man gezwungen, Probleme unter Wasser zu lösen und größere Reserven einzuplanen. Das sind Überlegungen, welche klassisch im technischen Tauchen angewendet werden.

Welche Definition haben wir für uns gefunden?

Wir persönlich, unabhängig von der Meinung anderer Verbände, ziehen die Grenze zum technischen Tauchen dort, wo man gezwungen ist, Probleme jeglicher Natur unter Wasser zu lösen. Das kann aufgrund einer Höhlen- oder Wracksituation der Fall sein. Auch obligatorische Dekostops stellen ein Hindernis nach oben dar. Ebenso Bootsverkehr über den eigenen Köpfen, der ein Auftauchen verkompliziert…

Was sind mögliche Probleme, welche man beim technischen Tauchen unter Wasser lösen muss?

In den meisten Problem Kaskaden kommt es nach z.B. den Unfallstatistiken von DAN häufig früher oder später zu einem “Out of gas” Szenario. Somit ist dieses eine Sorge, die man zwingend immer, aber insbesondere im technischen Tauchen, unter Wasser beherrschen können sollte. Im Rahmen des Valve Drills und des Reglerwechsels wird von einer einem Atemsystem auf ein anderes gewechselt und gleichzeitig der Gasverlust beschränkt. Das kann im Sidemount genauso erfolgen wie im Doppelgerät. Beim Kreislauftauchgerät erfolgt das zumeist mittels Bailoutgas, welches separat mitgeführt wird. Auch der Gedanke, einen zweiten Backup-Rebreather mitzuführen, wird immer beliebter.

Der Hauptgedanke ist es also, ein redundantes Atemsystem zur Verfügung zu haben. Das gleiche gilt auch, wenn ich einen Buddy im Notfall mitversorgen muss. In diesem Fall muss ich sowohl das entsprechende Procedere zur Gasspende beherrschen, aber auch meine Gasreserven ausreichend kalkuliert haben. Das Prozedere wird insbesondere dann komplizierter, wenn ich noch durch eine enge Öffnung zum Ausgang schwimmen muss. Das will geübt sein.

Auch kleinere Probleme sollten mich nicht aus der Ruhe bringen: Die verlorene Maske sollte ich unkompliziert ersetzen können durch die Backupmaske in der Tasche. Und ein Muskelkrampf sollte auch nicht zum Problem werden.

Eine Ersatzlampe hilft dann aus, wenn die Hauptlampe geflutet ist oder der Akku leer ist.

Zusammengefasst kann man also sagen: Ich sollte einen Plan und einen Backupplan haben.

Das gilt für alle normalen Procedere während des Tauchens als natürlich auch für die Gasplanung, welche einen ganz besonderen Punkt der Überlegungen darstellt.

In der Planung geht man davon aus, dass ein Problem zum ungünstigsten Zeitpunkt, also zum Ende der Bottom-Zeit, auftritt und dann eine realistische Menge Zeit zur Problemlösung auf Tiefe benötigt wird. Die Gasmengen müssen so ausgelegt sein, dass diese dann immer noch ausreichend sind, um einen Buddy sicher mit zur Oberfläche zu bringen.

Die gute Nachricht: Die meisten Tauchgänge ähneln sich am Ende. So kann es adäquat sein, ein paar verschiedene “Worst-Case” Szenarien zu berechnen und diese für die üblichen Tauchgänge einzusetzen. Eine individuelle Tauchgangsplanung kann auf der anderen Seite den Vorteil haben, dass ein Tauchgangsziel erreicht werden kann. Dafür ist aber auch der Aufwand ein wenig höher. Damit ich ausreichend planen kann, muss ich mich selbst kennen und um meinen Gaskonsum in Ruhe und unter Stress wissen. Also nicht scheuen: Ausprobieren, Air Consumption aufschreiben und nachrechnen. Nur so kann ich später meinen Gasverbrauch abschätzen.

Was braucht es sonst noch an zusätzlicher Ausrüstung?

Das fängt schon mit vielen Kleinigkeiten an: Ein gutes Beispiel ist die Backupmaske. Jan hatte hierbei die gleiche Situation wie viele andere Taucher auch - die Backupmaske war eine ehemalige Hautmaske, welche dann doch nicht so gut passte, wie anfänglich gedacht. Das macht aber nur eingeschränkt Sinn, denn man möchte ja nicht in einer Stresssituation auf eine schlechtere Maske wechseln und zusätzlichen Stress haben. Also Hopp - zweite Maske gekauft.

Das gleiche gilt für Schneidwerkzeug: Dieses muss der Situation angemessen sein und auch die bei mir gängige Art von Leinen oder Kabel trennen können. Außerdem muss das Schneidwerkezeug gut zugänglich sein: Die am Handgeleng getragene Variante funktioniert allerdings nur von einer Seite aus. Auch für den Verlust des Tools soll in der Regel mindestens eine zweite Option dabei sein.

Viel wichtiger als eine allgemeingültige Lösung ist es, sich individuelle Gedanken zu machen und mit der fundierten Meinung anderer Taucher zu beschäftigen.

Das Anfangsinvestment muss dabei am Anfang nicht immer gerade riesig sein. Vieles an Ausrüstung kann man ausleihen - entweder von Freunde oder auch vom Tauchshop des Vertrauens. Und wenn dann doch Ausrüstung her muss, dann gibt es zahlreiche Facebook-Gruppen, wo man günstig auch gebrauchtes Equipment beschaffen kann. Dazu findet ihr auch unsere Podcast Folge HIER.

Der Tauchcomputer sollte für technisches Tauchen geeignet sein und echte Dekompression unterstützen. Manche günstigen Computer haben nur den Modus einer “Notfalldekompression”, welche nicht für echte Deko-Tauchgänge geeignet ist. Informiert euch! Ein Backup-Computer ist von Vorteil…

Die Atemregler sollten kaltwassertauglich sein und sicher funktionieren. Hier ist vielleicht ein etwas schwereres Modell mit großer Fläche für den Wärmeaustausch besser geeignet als das leichte Modell zum Reisen aus Plastik.

Unstrittig ist die Meinung, dass die Ausrüstung “streamlined”, also strömungsoptimiert sein sollte. Hierdurch vermindert sich nicht nur die Anstrengung beim Schwimmen, sondern auch die Gefahr des Hängenbleibens wird vermindert. Die Ausrüstungsgegenstände sollten gut erreichbar sein.

Das BCD muss genügend Auftrieb erzeugen, um die ganze Ausrüstung heben zu können. Beachtet hierbei, dass ein normales BCD im montierten Zustand nur ungefähr 75% seines vom Hersteller benannten Auftriebs liefern kann. Das liegt an der Kompression durch Flaschen etc.

Und welche laufenden Kosten gibt es dann?

Natürlich will die ganze Ausrüstung gewartet werden. Einer der markantesten Kosten ist allerdings bestimmt das Atemgas. Im Fall von Sauerstoff geht das noch. Wenn es allerdings Helium sein soll, dann schießen die Kosten für Trimix abrupt in die Höhe. Einfacher haben es hier die Rebreathertaucher, die dafür höhere Anfangskosten haben. Bitte lasst euch nicht verführen, Atemgase außerhalb der empfohlenen Grenzen zu verwenden. Während es gerade bei Trimix noch eine gewisse Diskussion Marge gibt, sollte spätestens bei der Dekompression nicht am relativ günstigen Sauerstoff gespart werden. Bessere Option: Die Trainings-Tauchgänge flach auf Luft durchführen und dafür lieber weniger, aber gute tiefe Tauchgänge machen, an die ich mich später auch erinnern kann :-)

Welche Kurse und Methoden gibt es, um mit der eigenen Ausrüstung sicher zu werden?

Ich selber muss mir die Frage stellen, ob ich selber auch bereit bin, neue Erfahrungen zu sammeln und mich unter Wasser auch sicher führe. Gerade am Anfang der Tauchkarriere braucht es manchmal nicht viel, um die Stressgrenze zu erreichen, wie auch Jan schon erleben durfte. Andererseits ist es auch schwierig, diese Erfahrung an einer Tauchgangszahl festzumachen. Manche Taucher liegen nach 50 Tauchgängen wie ein Fisch im Wasser, manch einer sammelt in 30 Jahren 300 Tauchgänge und ist mit der Sport-Konfiguration überfordert. Deshalb lieber auf ein Feedback eines erfahrenen Tauchers hören. Die SAC (Surface Air Consumption) ist ein guter Indikator für Stress und es macht Sinn, diesen Faktor zu beobachten und zu vergleichen.

Es müssen aber nicht alle Skills schon mitkommen, sondern vieles kann in den ersten TEC-Kursen gelernt werden. Es hilft aber ungemein, die Basics des Sporttauchens gut zu beherrschen und vor allem mit der eigenen Tarierung sicher zu sein.

Als Einstiegskurse bietet fast jede Organisation ein Kurskonzept an. Bei GUE ist das der “Fundamentals” Kurs, bei TDI der “Intro to TEC”. Aber auch PADI und SSI gibt es adäquate Kurse. Die Kurse gehen nicht gleich aufs ganze sondern sollen Basics wie saberen Trimm, gute Tarierung, Flossenschlagtechniken u.ä. vermitteln. Außerdem wird viel Zeit mit der eigenen Ausrüstungskonfiguration verwendet. Unserer Ansicht nach werden gerade diese Kurse unterschätzt und bieten den Teilnehmern eine sehr gute Basis für alle weiteren Kurse. Sich einen ganzen Tauchgang nur auf einen isolierten Basic-Skill zu fokussieren, bietet einen riesigen Lernerfolg. Das Feedback aus solchen Kursen kann man dann mitnehmen in private Trainings-Tauchgänge, im Idealfall mit gleichgesinnten Buddies.

Der nächste Schritt könnte dann der Einstieg in Dekompressions-Tauchgänge sein. Auch hierzu gilt: Am besten einen Kurs suchen und möglichst viel mitnehmen. Das Zertifikat ist zwar rechtlich und für die Versicherung wichtig. Die Skills und das Verständnis sind es aber am Ende, die lebenswichtig sind. Außerdem ist der Instruktor am Anfang ein relevanter Sicherheitsfaktor. Gerade Dekompression ist nicht nur eine Wissenschaft, sondern auch ein bisschen eine Kunst. Außerdem sollte man sich mit dem Hintergrund auch mal im Detail beschäftigen, denn Fehlinformationen sind überall zu finden.

Hier wird es auch schnell überlebenswichtig: Eine der häufigsten Fehlerquellen im technischen Tauchen ist der Wechsel auf ein falsches Atemgas. Dieses Problem kann man durch gute Prozeduren einfangen. Diese wollen allerdings trainiert werden, auch im Team.

Cave und Wreck Training sind separate Punkte und gehen nicht zwangsweise mit Tiefe und Dekompression einher.

In allen Punkten gilt es, einen passenden Instruktor zu finden. Hier muss die Chemie, aber auch die Art der Wissensvermittlung stimmen. Kann der Instruktor seine Aussagen begründen… Und auch die passenden Buddies wollen gefunden werden.

Aber sind wir jetzt eigentlich TEC-Diver? Na ja - wir machen Dinge jenseits der Sporttauchgrenze und überlegen uns, wie wir Probleme unter Wasser lösen können. Das kann man also wohl nicht mehr verneinen… Macht aber nichts: Das ist nicht ansteckend und kommt in den besten Familien vor ;-) Und auch technische Taucher sind nur Taucher - und meistens richtig nette Leute…

Zusammengefasst:

Der Übergang ist fließend und es gibt eine Grauzone. Die Definitionen sind nicht einheitlich. Auch mit technischem Brevet fühlt man sich nicht plötzlich völlig anders. Nicht auf andere Taucher herabschauen, sondern chillen. Was das technische Tauchen ein wenig vereint, ist die Bereitschaft, sich detaillierter mit den Hintergründen zu beschäftigen und seine Skills zu üben. Man kann sich langsam in das technische Tauchen herantasten und muss nichts überstürzen. Sucht euch Buddies mit einem ähnlichen Mindset, die eure Grenzen akzeptieren. Also einfach coole Leute ;-)