Disclaimer: Die in diesem Podcast getätigten Aussagen spiegeln lediglich die Meinungen der Produzenten wieder. Obwohl wir die Aussagen im Podcast reflektiert und nach Möglichkeit auf der Basis wissenschaftlicher und technischer Standards treffen, bleibt die verantwortungsbewusste Nutzung dieser Informationen dem Hörer überlassen! Taucht nicht über eure eigenen Grenzen und der eurer Buddies! Haltet euch an eure Zertifizierung und besucht praktische Trainings und Kurse, um eure taucherischen Fähigkeiten zu verbessern.
Mal ganz im Ernst: Blei ist die frustrierendste Anschaffung im Tauchen. Es ist sauteuer, schwer und unhandlich. Und dann macht es auch noch viel Arbeit. Wenn man nicht genug hat, dann kommt man nicht runter, muss zurück zum Auto laufen und aufstocken. Oder man hat sowieso nicht genug Blei da und muss den Tauchgang sogar auslassen. Sobald man aber zuviel Blei hat, hört man die Tekkies schon schreien: “Du bist überbleit!” Wo liegt jetzt in dieser schwerwiegenden Geschichte die Wahrheit? Und kann man dem Thema vielleicht doch etwas Positives abgewinnen? Dieser und einigen anderen Fragen widmen sich Martin und Jan in der aktuellen Folge.
Jeder Taucher kommt zwangsläufig im Rahmen seiner Laufbahn mit den Themen Gewichte / Blei / Tarierung & Trim in Kontakt. Das fängt bei der Ausbildung an und erwischt einen immer dann, wenn an der Ausrüstung gedreht wird. Und je nach Zusammenstellung der Konfiguration variieren die Bleimengen markant. Das macht es nicht immer einfach, sich gut “auszubleien”.
Grundlage allen Auftriebs ist die Physik. Genauer gesagt: Das Prinzip des Archimedes. Jeder Körper hat eine Abtriebskraft, die aus seinem Gewicht resultiert. Dem gegenüber steht der Auftrieb, der sich aus der Verdrängung der Flüssigkeit ergibt - also quasi aus dem Gegendruck des Wassers. Ist das Volumen groß, dann erzeugt es einen großen Auftrieb. Ein kleines Volumen erzeugt nur einen kleinen Auftrieb. Die beiden Kräfte stehen nun gegensätzlich zueinander. In der Konsequenz: Ein großer, leichter Körper schwimmt und ein kleiner, schwerer Körper sinkt ab. Wenn man also abtauchen will, hilft nur eins: Gewichte mitnehmen, um den Abtrieb zu vergrößern.
Der menschliche Körper ist meistens im Wasser ungefähr neutral tariert. Je nach Körperbau gibt es auch Personen, welche eher schwimmen oder eher untergehen. In den meisten Fällen reicht aber das Lungenvolumen aus zum Tarieren und durch gezieltes Ausatmen fängt man an, abzusinken.
Komplizierter wird es mit Tauchausrüstung: Einige Bestandteile der Ausrüstung (etwa der Neopren oder der Trockentauchanzug mit Unterzieher) erzeugen zusätzlichen Auftrieb. Diesen muss man durch Gewichte ausgleichen.
Ein Bleicheck wird im Idealfall mit vollständiger Ausrüstung durchgeführt. Zudem sollte die Tauchflasche (auch incl. Stages) adäquat leer sein, um das Ende des Tauchganges zu simulieren. An der Oberfläche treibend werden die Auftriebskörper vollständig entleert. Der Idealzustand: Mit halber Einatmung treibt man an der Oberfläche, in senkrechter Körperposition etwa mit dem Wasserspiegel auf Höhe der Maske. Einatmung führt zum Aufsteigen, Ausatmung führt zum Absinken. Jede Änderung an der Ausrüstung führt dazu, dass die Bleimenge angepasst werden muss. Am meisten merkt man das, wenn man den Neopren oder den Unterzieher des Trockentauhanzugs ändert. Aber in einer Konfiguration mit kleinem Volumen (z.B. auf dem Sauerstoff-Rebreather) merkt man sogar die Neoprenhandschuhe markant. Im Idealfall dokumentiert man die benötigten Bleimengen für jeden Tauchgang, um ein Gefühl zu entwickeln und auch die Veränderungen nachvollziehen zu können.
Auch das Wasser hat einen Einfluss: Hat es eine höhere Dichte, erzeugt es mehr Auftrieb und wir müssen mehr Blei einpacken. Das merkt man z.B. im Salzwasser im Urlaub oder auch im Winter, wenn das Wasser aufgrund der geringeren Temperatur eine höhere Dichte hat. Darüber, wie viel Blei man im Toten Meer braucht, können wir nur spekulieren… ;-)
Tatsächlich ist die Kontrolle der Ausbleiung an der Oberfläche am relevantesten: In der Tiefe wird durch den Wasserdruck das Gasvolumen im Neopren komprimiert und erzeugt weniger Auftrieb. Den zusätzlichen Abtrieb kompensieren wir dann in der Regel über das BCD, in welches wir zusätzliches Luftvolumen einfüllen. Aber Achtung: Dadurch wird es nach unten hin immer schwieriger, die korrekte Menge Auftrieb zu erzeugen. Wenn wir also markant “überbleit” in den Tauchgang starten, dann reicht unter Umständen die Auftriebskraft des kompletten BCDs gar nicht mehr aus und wir sinken immer weiter ab. Das ist insbesondere bei kleinen Reisejackets oder Wings sehr relevant.
Das Material und die Größe der Tauchflasche haben einen markanten Einfluss auf die Tarierung. Aluminiumflaschen, welche oft im Salzwasser getaucht werden, sind im vollen Zustand +/- neutral und werden im leeren Zustand positiv im Bezug auf ihren Auftrieb.
Stahlflaschen hingegen sind immer negativ tariert, werden aber im leeren Zustand leichter und somit weniger negativ. Außerdem gibt es verschiedene Stahlflaschen, unter anderem den sogenannten “Leichtstahl” (auch nach dem Hersteller teilweise “Faber-Stahl” genannt), der für manche Konfigurationen einen guten Kompromiss darstellt.
Es gibt verschiedene Varianten, das Blei am Körper zu befestigen. Gängig ist beispielsweise der Bleigurt in der Ausbildung, weil er universell ist, die Bestückung schnell angepasst werden kann und er außerdem schnell abgeworfen werden kann. Dafür ist zum Teil das An- und Ablegen unter dem Jacket etwas gewöhnungsbedürftig. Außerdem ist es einfacher, unter Wasser das Jacket abzulegen - eben weil man das Gewicht noch am Körper hat.
Die meisten modernen Jackets haben abwerfbare Bleitaschen, die fest mit dem Auftriebskörper verbunden sind und bei Bedarf mit einem Handgriff abgeworfen werden können. Das ist allerdings aus technischer Sicht ein Widerspruch: Die Tasche soll gut halten, aber schnell entfernbar sein. Dementsprechend neigen die Taschen verschiedener Hersteller dazu, im Zweifelsfall lieber abzufallen und verloren zu gehen. Das bestätigt sich auch anhand der Bleitaschen eines gewissen Herstellers, die wir immer wieder in heimischen Seen finden und meistens bergen.
Andere Hersteller neigen dazu, Ihre Bleitaschen sehr solide mit großen Schnallen zu sichern. Diese gehen dann nicht so leicht verloren, sind aber auch schwieriger abzuwerfen. Wer sich also für ein solches Modell entscheidet, tut gut daran, die richtige Handhabung zu üben - so läuft im Notfall alles gut und zügig.
Im Bereich des technischen Tauchens ist es auch üblich, kein abwerfbares Blei mitzuführen, sondern dieses feste zu verbinden. Das resultiert aus der Überlegung, dass auf einem dekopflichtigen Tauchgang ein verlorenes Gewicht den Tag ruinieren kann. Am Doppelgerät wird das Blei zwischen oder an der Seite der Doppelflaschen fixiert (P- oder V-Weights).
Im Sidemount gibt es herstellerabhängig verschiedene Gewichtssysteme und auch die Rebreather Hersteller bieten meistens spezielle Gewichtstaschen an. Wenn man sich für die Option des fix verbauten Bleis entscheidet, dann tut man gut daran, sich über die Option des Auftriebs im Notfall Gedanken zu machen. Das kann z.B. passieren über einen Trockentauchanzug, welcher an einer separaten Tariergas Flasche hängt. Auch eine DSMB kann als Auftriebskörper genutzt werden, wenn sie denn auch im Falle eines “Out of Air” noch genutzt werden kann. Aber Achtung: Das dauert im Zweifelsfall und somit bin ich von der Gasversorgung des Buddies abhängig.
Beides ist eine valide Entscheidung, sofern sie bewusst getroffen wird und man sich der Konsequenzen bewusst ist.
Die Idee hinter dem Ausbalancieren ist es, nur wirklich die notwendige Menge an Blei mitzunehmen. Das ganze kommt aus dem Bereich des DIR “Doing it right” und hat im Fokus, zum “schwersten” Zeitpunkt des Tauchgangs, also ganz zu Beginn der tiefsten Phase, genau so viel Gewicht mitzuführen, dass man mit wenigen Flossenschlägen Auftrieb erzeugen kann und nach oben hinaus immer wenigern Mühe mit dem Schwimmen hat. Gleichzeitig sollte ich allerdings den Aufstieg in flachem Wasser stoppen können um meine Deko Stopps einzuhalten. Hier reden wir von einer Sicherheitsmarge von 1-2 kg, welche beim Schwimmen kompensiert werden können. Das klingt super, ist aber ein sehr dynamischer Prozess, weil sich die Einflussfaktoren die ganze Zeit ändern. Sebastian hat hierzu ein super Video erstellt, welches ihr HIER findet: https://www.youtube.com/watch?v=KJN-ysuboeI
Oft hört man Warnungen, sich “ja nicht” zu überbleien und nur die absolut notwendige Menge an Gewicht mitzuführen. Das stimmt auch in gewissen Grenzen, denn unsere BCDs können nur eine begrenzte Menge Auftrieb erzeugen. Spoiler: Das ist in den meisten Fällen deutlich weniger, als vom Hersteller angegeben, da die Geräte nach alter Norm DIN EN 1809:1997 ohne Flasche und Tauscher getestet wurden. Außerdem wissen wir, dass bei vielen tödlichen Unfällen im Nachhinein festgestellt wurde, dass der Taucher überbleit war. Es gibt also genügend Gründe, zu viel Gewicht zu vermeiden.
Auf der anderen Seite haben wir aber schon erklärt, dass Tarierung ein dynamischer Prozess ist. Der Auftrieb verändert sich während dem ganzen Tauchgang und zu wenig Blei ist am Ende des Tauchganges auch recht unentspannt und kann auch selber Stress verursachen - gerade wenn die Flasche leerer ist als erwartet und man durch einen blöden Zufall die Grenze der Nullzeit gesprengt hat.
Daher ist unsere Empfehlung: Vermeidet eine markante Überbleiung und nehmt im Zweifelsfall 0,5 - 1 kg “Komfort Blei” mit. Das lässt sich im Notfall noch kompensieren ;-)
Für diejenigen, die mit weniger erfahrenen Tauchern im Wasser sind: Ich habe mir mittlerweile kleine Bleistücke mit Karabinern gebaut. Diese führe ich selbst mit zusätzlich zu meiner Bleimenge. Ich kann mit meinem großen Wing das Zusatzgewicht einfacher kompensieren und gebe die Stücke dann bei Bedarf am Ende des Tauchganges ab. Durch die Karabiner kann ich außerdem den Trim korrigieren.
Bei der Frage des Trimms geht es darum, sich so “auszubalancieren”, dass man möglichst einfach horizontal im Wasser liegt. Der virtuelle Körperschwerpunkt liegt im Idealfall um die Hüfte herum. Dort sollte auch der größte Anteil vom Gewicht liegen. Je weiter ein Gewicht von diesem Zentrum entfernt liegt, desto mehr Auswirkungen hat es durch die Hebelwirkung. Als Trimmblei reichen also sehr kleine Gewichte aus. Auch andere Effekte haben eine Auswirkung: So kann die Verschiebung der Tauchflasche in der Höhe es schon einfacher machen, eine neutrale Wasserlage zu erreichen. Schwere Ausrüstung wie bspw. Flossen haben natürlich auch eine große Wirkung.
An den meisten Gurtzeugen kann man extra Trimmbleitaschen anbringen. Am Doppelgerät kann man das Blei zwischen oder an der Seite des Geräts nach oben und nach unten verschieben.
Das geht natürlich aber auch mit Auftrieb durch das Wing: Wenn sich viel Luft weit unten in der Blase befindet, wird meine Hüfte nach oben gezogen. Wenn ich mich in eine aufrechte Position bringe, dann zieht die Luft meine Schultern umso mehr nach oben. Witzigerweise sorgt eine ungünstige Luftverteilung im Jacket (ja - vor allem im Jacket) dafür, dass die meisten Taucher gegen diese Kräfte anfangen zu kämpfen und durch eine Abwehrbewegung in der Hüfte einknicken. Das ist nicht nur sehr unangenehm, sondern auch für den Lernprozess nicht förderlich. Hier hilft vor allem gutes externes Feedback. Auch mit Kamera.
Es gilt der Grundsatz: Nicht gegen die eigene Ausrüstung kämpfen, sondern sich Gedanken machen zum grundlegenden Problem. Und dieses dann natürlich auch lösen.. ;-)
Trimm funktioniert übrigens auch von rechts und links. Das kann dann ein Thema werden, wenn man einseitig mit der Stage unterwegs ist oder an einer Körperhälfte mehrere Stages trägt. Das kann dann schon mal einen Linksdrall erzeugen. Nun kann man entweder die Bleiverteilung ändern oder mit Auftrieb gegenwirken. Letztere funktioniert erstaunlich gut, indem man das Luftvolumen im Wing gezielt durch eine Gegendrehung in die Winghälfte der betroffenen Seite blubbern lässt. Das kann man sogar mit ein wenig Aufmerksamkeit hören…
Die Körperposition beeinflusst auch Trimm und Tarierung: Eine breite Körperposition ist viel stabiler gegen eine Rollbewegung. Zumindest im OC kann man durch bewusstes Anspannen und Entlasten der Brustmuskulatur seine Tarierung beeinflussen. Einfach mal ausprobieren… Vermutlich hat dieser Effekt mit der Beeinflussung des Lungenvolumens zu tun. Eine wirkliche Begründung haben wir aber nirgendwo gefunden - aber funktionieren tut es.
Im Thema Blei, Tarierung und Trimm steckt mehr, als man eigentlich denken würde. Auf jeden Fall Grund genug, um sich mal Gedanken zu machen. Es gilt, sich sauber auszubleien und auch gerne ein kleines bisschen zu viel Blei mitzunehmen: Genug, um sich unter Wasser wohl zu fühlen. Gleichzeitig sollte man aber auf jeden Fall eine markant zu hohe Bleimenge vermeiden, denn das ist ein Unfallrisiko. Die optimale Bleimenge erkennt man durch einen sauberen Bleicheck mit der vollständigen geplanten Ausrüstung. Ab dann gilt: Ausprobieren und aufschreiben… Und das gleiche gilt auch für den Trimm. Hier kann ein gutes Feedback und ein Video von außen sehr aufschlussreich sein.